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Freiwilligendienst - der Farbtupfer im Leben eines Menschen

   08. November 2023
#LichtAus! - Protestaktion gegen Kürzungen bei Freiwilligendiensten

Stuttgart, 8. November 2023 – Die Bundesregierung plant, die Mittel für Freiwilligendienste um ein Viertel zu kürzen. In Baden-Württemberg machen jährlich rund 18.000 Menschen ein Freiwilliges Jahr (FSJ). Würde der Bund wie geplant die Mittel streichen, würden landesweit 4.500 Plätze wegfallen. Dagegen wehren sich der Paritätische Baden-Württemberg und seine Mitgliedsorganisationen vehement. Zusammen mit den anderen Verbänden in der Liga der Freien Wohlfahrtspflege setzten sie ein zentrales und sichtbares Zeichen mit der Aktion #LichtAus! Für 25 Sekunden ging um 17.30 Uhr das Licht aus – eine Sekunde für jedes geplante Prozent Einsparung im Bundeshaushalt.

Freiwilligendienst im Therapeuticum Raphaelhaus Stuttgart: der Farbtupfer im Leben eines Menschen!

Lara tunkt einen Pinsel in den Farbtigel auf dem Tisch und streicht zartes Blau auf ein Stückchen Papier. „Schau mal, Emil“, sagt sie zu dem jungen Mann an ihrer Seite. „Gefällt dir diese Farbe?“ Doch Emil schaut lieber Lara an, auch als sie ihm den Pinsel in die Hand drückt und mit ihm malt.

Ferner Verkehrslärm mischt sich mit Amselzwitschern, dazwischen tönen gutturale Rufe und gelegentlich ein Schrei. Es sind die einzigen Laute, mit denen sich Laras Schützlinge bemerkbar machen können. Auch Emil, der als Zweijähriger einen Schlaganfall erlitten hat und seitdem halbseitig gelähmt ist, kann nur lallen. Einer von fünfzig Menschen, die im Stuttgarter Therapeuticum Raphaelhaus leben und rund um die Uhr betreut werden. „Der Emil ist mir besonders nah, wir sind im selben Alter“, sagt Lara. Sie war knapp achtzehn, als sie ihr Freiwilliges Soziales Jahr antrat.

Schau mal, Emil, ist die Farbe toll? Ohne FSJlerin Lara wäre der Alltag nur schwarz-weiß.<br>Foto: Bernd Zabel, Therapeuticum Raphaelhaus
Schau mal, Emil, ist die Farbe toll? Ohne FSJlerin Lara wäre der Alltag nur schwarz-weiß.
Foto: Bernd Zabel, Therapeuticum Raphaelhaus

„Hat eine Weile gebraucht, eh ich mir das zugetraut habe“, sagt sie. „Und auch, eh ich spürte, dass ich hier zu Hause bin.“ Wer sie in ihrem Arbeitstag begleitet, merkt, dass sie angekommen ist: eine freundliche, fürsorglich wirkende Frau, einfühlsam und geduldig. Das fällt nicht immer leicht, weil sie mit ihrem Team in der Wohngruppe Ahornwald acht Erwachsene betreut, die so hilfsbedürftig wie Kleinkinder sind. Entsprechend aufwendig ist ihre Betreuung, bei der selbst alltägliche Abläufe ins Gewicht fallen. Es fängt nach dem Wecken um sechs Uhr früh an, wenn es darum geht, die assistenzbedürftigen Menschen zu waschen. Ein Patientenlifter hilft ihr, sie in eine Wanne zu hieven und anschließend auf eine Liege zu legen, um dort die Windeln zu wechseln.

„Und wenn es mal stressig wird ist es schnell vergessen, wenn Emil mich anlächelt“, sagt sie, während sie ihm Tee durch einen Nasenschlauch einflößt. „Und eigentlich lächelt er ja immer, der Emil“. Emil genießt es sichtlich, dass Lara sich heute Zeit nimmt, um mit ihm zu basteln.

Man braucht eine Weile, ehe sich hinter den Grimassen des Jungen ein Lächeln entdecken lässt; auf den ersten Blick erschreckend wirken auch Mimik und Gestik seiner Mitbewohner. Lara erlebt es jedes Mal, wenn Freunde sie im Raphaelhaus besuchen. Beim Abschied höre sie immer wieder denselben Satz: „Respekt! Aber ich würd das hier nicht aushalten.“ Eine große rote Rose und der Spruch „More Amour“ prangt auf ihrem T-Shirt, ihren Unterarm ziert der tätowierte Schriftzug „Ohana“, was auf Hawaiianisch so viel wie Familie heißt. Ihre Mutter trüge dasselbe Motiv, erklärt sie. Als Zeichen familiärer Verbundenheit. „Der Job hier liegt mir“, sagt sie. „Büro wär nix für mich. Handwerk auch nicht. Hab doch zwei linke Hände. Und ins Ausland will ich schon gar nicht. Ich brauch meinen vertrauten Kreis.“

Keine Kürzungen beim Freiwilligendienst!“

„Menschen mit Behinderungen brauchen im Alltag Freiwillige wie Lara – und umgekehrt auch“, davon ist Jutta Pagel-Steidl, Geschäftsführerin des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg überzeugt. „Unsere Botschaft nach Berlin ist klar und eindeutig: Teilhabe braucht engagierte Freiwllige wie Lara. Keine Mittelkürzungen beim Freiwilligendienst!“


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