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„Lasst uns einen Arbeitsplatz erfinden!“ | |
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Stuttgart, 23. September 2014 - Schulzeit vorbei – und dann? Spätestens gegen Ende der Schulzeit fragen sich Schüler mit und ohne Behinderung sowie deren Eltern, wie es beruflich nach der Schule weitergeht. Über 100 Teilnehmer aus ganz Baden-Württemberg trafen sich am Dienstag in Stuttgart zur Fachtagung „Alle inklusive?! Arbeit und Beschäftigung von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen.“ Dazu eingeladen hatten der Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg sowie die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Arbeit ist ein Menschenrecht. Es ist ein Ausdruck der Menschenwürde“, davon ist der ehemalige Betriebsseelsorger Paul Schobel überzeugt. „Arbeit gehört zum Mensch-Sein.“ Schobel hat in seiner langen Berufslaufbahn die Erfahrung gemacht, dass es schwer behinderte Menschen besonders schwer auf dem Arbeitsmarkt haben. Doch jammern hilft nicht weiter. Schobel rief die Anwesenden daher dazu auf, sich über ihre Rechte zu informieren und diese wahrzunehmen. „Bleiben Sie nicht allein zuhause, suchen Sie die Vernetzung innerhalb eines starken Verbandes und wehren Sie sich!“. „Potenziale nutzen!“ lautet das Motto der Industrie- und Handelskammern (IHK). Branko Schmidt-Bachaly stellte ein Modell der IHK Nordschwarzwald vor, wie Inklusion erfolgreich umgesetzt werden kann. In Kooperation mit Unternehmen und Werkstätten für behinderte Menschen werden im Nordschwarzwald Menschen mit Behinderungen gezielt für Arbeitsplätze in Unternehmen vorbereitet. „Die IHK tritt dabei als Vermittler und Drehscheibe für Beratung und Information auf“, so Schmidt-Bachaly. Er räumt ein, dass der drohende Fachkräftemangel die Unternehmen erfinderisch macht und die Bereitschaft erhöht, Menschen mit Behinderungen verstärkt in den Unternehmen einzugliedern. In Einzelfällen wurden und werden auch „Arbeitsplätze erfunden“. „Wir brauchen einen voraussetzungslosen Zugang zur Arbeit“, sagt Professor Dr. Karin Terfloth von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. „Arbeit ist weder ein Gegenstand noch ein Zustand, sondern vielmehr als ein Prozess greifbar.“ Im Forschungsprojekt „SITAS – Sinn-volle produktive Tätigkeit für Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung zur Partizipation am sozialen und kulturellen Leben“ hat sie gemeinsam mit ihren Kollegen Wolfgang Lamers und Ines Prokop die Arbeitssituation behinderter Menschen in Tagesförderstätten untersucht. In vielen Tagesförderstätten bzw. Förder- und Betreuungsgruppen wird viel zu wenig Wert auf berufliche Bildung und ein berufliches Arbeitsangebot gelegt. Vielfach stehe – aus verständlichen Gründen – Pflege und Ernährung im Vordergrund. Terfloth zeigt an Beispielen auf, wie wichtig es auch für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen ist, an Arbeitsprozessen beteiligt zu sein. Entschieden plädiert sie für die Abschaffung der gesetzlichen Regelung, die Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen vom Arbeitsleben ausschließt. Dies stehe in krassem Gegensatz zu den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Es ist ein gesellschaftlicher Auftrag, die Handlungskompetenz der Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen zu ermitteln und ihnen eine sinnstiftende Arbeit ermöglichen. Freimütig erzählte Armin Bönisch aus Schrozberg, Vater eines behinderten Sohnes über seine Gedanken. „Mein Sohn wollte nicht in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten. Und ich wollte Sicherheit für ihn. Ich wollte, dass er kranken- und sozialversichert ist, später eine gute Altersversorgung hat, damit meine Frau und ich beruhigt sterben können.“ Fabian Bönisch hat sich durchgesetzt. Er arbeitet inzwischen in einem ganz normalen Unternehmen und gehört dort selbstverständlich dazu. „Ich bin ein Kollege wie alle anderen auch!“ Das Unternehmen hat einen Arbeitsplatz „erfunden“. Fabian war ein Türöffner. Inzwischen wurden weitere Arbeitsplätze für Menschen mit schweren Behinderungen geschaffen. „Es geht!“ sagen Vater und Sohn übereinstimmend. „Wir brauchen Zeit und Geduld, dann können wir eine ganze Menge“, sagt Clarissa Knittel aus Reutlingen. Sie arbeitet im Buchladen der LWV-Eingliederungshilfe. Sie bringt es auf den Punkt. „Ich fühle mich wohl. Ich habe viele Hilfsmittel, die extra entwickelt wurden und die mir das Arbeiten erst ermöglichen.“ Arbeit gibt ihrem Alltag eine Struktur. „Wir wollen unseren Arbeitsplatz aussuchen und auch mal wechseln können wie andere auch“, meinen Patrick Thurn und Peter Maier aus Stuttgart. Im Unterschied zum allgemeinen Arbeitsmarkt können Mitarbeiter von Werkstätten für behinderte Menschen oder von Tagesförderstätten nicht „einfach so“ ihren Arbeitgeber wechseln. | |
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