Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg e.V.

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„Inklusion umsetzen geht nur gemeinsam!“

   15. Juli 2013
Fachtagung „Impulse – inklusiv wohnen und arbeiten“
Foto: Begrüßung durch Sozialministerin Katrin Altpeter MdL
Foto: Begrüßung durch Sozialministerin Katrin Altpeter MdL

Stuttgart, 15. Juli 2013 – Rund 200 Menschen mit Behinderung und ihre Angehörige, Vertreter von Einrichtungen der Behindertenhilfe, der Landesverwaltung, der Landespolitik sowie der Städte, Gemeinden und Landkreise trafen sich in Stuttgart, um die Weichen für die Umsetzung der Inklusion im Bereich Wohnen und Arbeiten zu stellen. Dazu eingeladen hatte das Sozialministerium Baden-Württemberg. Im Mittelpunkt standen die Empfehlungen, die von Verbänden, Menschen mit Behinderung und deren Angehörige in einem „Impulspapier Inklusion“ zusammengetragen und vor Weihnachten dem Sozialministerium überreicht wurden. In ihrem Grußwort verwies Sozialministerin Katrin Altpeter MdL auf den Koalitionsvertrag. Dort haben sich GRÜNE und SPD verpflichtet, Inklusion zu fördern und die Frage der Umwandlung von ehemaligen Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe unterstützend zu begleiten. Mit der Fachtagung wurde nun ein weiterer Schritt auf dem langen Weg der Inklusion gegangen. „Inklusion“, so die Ministerin, „bedeutet für mich das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung ohne Barrieren und ohne Hindernisse. Inklusion ist für mich dabei aber keine rein akademische Übung. Inklusion muss vor allem von uns allen gewollt und gelebt werden.“ Die Ministerin stellt klar, dass das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderung im Mittelpunkt stehen müssen. Sie appellierte daher an alle Beteiligten, gemeinsam an der Umsetzung der Inklusion zu arbeiten.

Foto: Grußwort Jutta Pagel-Steidl aus der Sicht von Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen
Foto: Grußwort Jutta Pagel-Steidl aus der Sicht von Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen

„Menschen mit Behinderung sind die Bestimmer!“
Mit „Ich, Du, Wir alle gehören dazu – das ist Inklusion!“ hat Jutta Pagel-Steidl, Geschäftsführerin des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg stellvertretend für die Betroffenen ihr Grußwort überschrieben. Unmissverständlich stellte sie klar: „Menschen mit Behinderung sind die Bestimmer. Sie entscheiden, wo, wie und mit wem sie leben und arbeiten wollen.“ Entscheidend sei, dass niemand verloren gehen darf bei der Weiterentwicklung der Hilfe für Menschen mit Behinderung. Menschen mit Behinderung müssen die Wahl haben zwischen inklusiven Angeboten und besonderen Angeboten. Menschen mit Behinderung brauchen die Sicherheit, dass die Hilfen, die sie benötigen, langfristig und verlässlich bereit stehen. „Inklusion ist kein Sparmodell“, so Pagel-Steidl. „Inklusion ist eine Daueraufgabe.“

Oberkirchenrat Dieter Kaufmann fasste als Vorsitzender LAG der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege die Eckpunkte des „Impulspapiers Inklusion“ zusammen. Er verband damit die Erwartung, dass alle Landesministerien verbindlich an der Umsetzung mitarbeiten.

Foto: Moderator Jo Frühwirth im Gespräch mit Gerd Weimer
Foto: Moderator Jo Frühwirth im Gespräch mit Gerd Weimer

„Der Schlüssel zu einer inklusiven Gesellschaft liegt in der Kommune.“
Gerd Weimer, Beauftragter der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, ist optimistisch. Ganz wichtig ist ihm, dass die Umsetzungsschritte gemeinsam mit allen Beteiligten geplant und umgesetzt werden. „Wenn wir dezentrale Wohnformen wollen, brauchen wir noch mehr sozialen Mietwohnungsbau und eine umfassende Barrierefreiheit.“ Im Landeswohnbauförderprogramm gebe es daher noch „Luft nach oben“. Nicht zufrieden ist Weimer im Blick auf die Arbeitswelt. Trotz hervorragender Konjunkturdaten ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen mit Behinderung doppelt so hoch wie die Zahl der arbeitslosen Menschen ohne Behinderung. Deshalb fordert er – in Übereinstimmung mit den Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder – eine Erhöhung der sog. Ausgleichsabgabe. Inklusion ist ein Prozess. „Die Richtung stimmt.“

Dienste vor Ort: was ist notwendig für Inklusion?
„Inklusion beginnt bereits in der Kindertagesstätte“, gibt Christa Heilemann vom Landkreistag vor. Roland Klinger, Direktor des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales, ergänzt: „Wir brauchen viele kleine Schritte. Dazu müssen ausreichend Finanzmittel bereitgestellt werden.“ Klinger fordert einen eigenständigen Tarifvertrag bei Menschen mit Behinderung und einer sog. Minderleistung. „So viel wie möglich möglich machen“, lautet die Devise von Hansjörg Böhringer als Vertreter der Liga der Freien Wohlfahrtspflege. Derzeit stehe man erst am Anfang eines langen Weges.

Veränderungen – der Weg zu inklusiven Wohn- und Beschäftigungsangeboten
„Alle bekennen sich zu Veränderungen.“ Davon ist Agnes Christner vom Städtetag überzeugt. „Wir schaffen Vielfalt“, so Andrea Stratmann als Vertreterin der regionalen Träger. Sie räumt ein, dass es allerdings bislang noch nicht gut gelungen sei, die Betroffenen zu fragen und von Anfang an einzubeziehen. Dies müsse sich verbessern. „Die Komplexeinrichtungen sind Weltmeister im Verändern“, meint Jürgen Kunze als Vertreter der Komplexeinrichtungen. Am Beispiel der Stiftung Haus Lindenhof mit Sitz in Schwäbisch Gmünd zeigt er auf, wie sich die Einrichtung ständig verändert. Er fordert, die Rahmenbedingungen anzupassen, um mehr Inklusion zu ermöglichen. Derzeit seien noch viele Detailfragen offen.

Inklusion – Unterstützung durch die Landesverwaltung
Manfred Zach vom Sozialministerium verweist auf die Zuständigkeit der Stadt- und Landkreise für die Eingliederungshilfe. Daher könne das Land nur an die Einsicht appellieren, bedarfsgerechte Angebote zu planen und zu schaffen. Bislang habe das Sozialministerium sich klar zu seiner Verantwortung bekannt und daher auch im bisherigen Prozess die Moderation übernommen. Die anderen Landesministerien tun sich erkennbar schwerer, sich in den Prozess der Inklusion aktiv einzubringen. Der Vertreter des Finanz- und Wirtschaftsministeriums wies daher auf die Zwänge hin, die im Förderprogramm zur Landeswohnbauförderung liegen. Und die Vertreterin des Ministeriums für Verkehr- und Infrastruktur kündigte eine Novelle des Bauordnungsrechts an. Vor allem der Brandschutz sei ein Bereich, der nicht verhandelbar sei.

Foto: landespolitische Debatte mit (v.l.n.r.):  Dr. Christian Bäumler (CDU), Rainer Hinderer MdL (SPD), Jochen Haußmann MdL (FDP), Thomas Poreski MdL (GRÜNE)
Foto: landespolitische Debatte mit (v.l.n.r.): Dr. Christian Bäumler (CDU), Rainer Hinderer MdL (SPD), Jochen Haußmann MdL (FDP), Thomas Poreski MdL (GRÜNE)

Impulspapier Inklusion in der landespolitischen Debatte
Selten gibt es so viel Übereinstimmung über alle Parteigrenzen hinweg. „Das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen ist ein Menschenrecht. Entscheidungen dürfen nicht über die Köpfe der Menschen mit Behinderung getroffen werden.“ Darin sind sich Thomas Poreski MdL (GRÜNE), Rainer Hinderer MdL (SPD), Jochen Haußmann MdL (FDP) und Dr. Christian Bäumler (CDU) einig. Dass die Umsetzung der Inklusion Geld kostet, ist allen klar. Poreski setzt auf die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe im Rahmen des sog. Bundesteilhabegeldes. Haußmann kann sich vorstellen, im Bereich Wohnen auch private Kapitalgeber als Investoren zu finden. Hinderer sieht die Notwendigkeit, zuerst vor Ort eine Infrastruktur zu schaffen, damit ein echtes Wunsch- und Wahlrecht umsetzbar wird. Die im Staatshaushalt bereit gestellten Mittel für Investitionen sei ein erster Schritt. Hinderer sieht aber auch künftig den Bedarf von hochspezialisierten Einrichtungen, da die Zahl der Menschen mit komplexen Behinderungen und hohem Hilfebedarf steige. Die Landespolitiker wollen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und mit Augenmaß die Herausforderung Inklusion gemeinsam mit allen Beteiligten meistern.

Zum Weiterlesen
Ich, Du, Wir alle gehören dazu – das ist Inklusion! (PDF)
Grußwort von Jutta Pagel-Steidl bei der Fachtagung „Impulse – inklusiv wohnen und arbeiten“


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