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„Sie haben was zu sagen!“

   06. Februar 2013
Menschen mit Behinderung schreiben Geschichte
Foto: Teilnehmer am Wochenendseminar des Projekts „Hinter dem Horizont geht’s weiter …“
Foto: Teilnehmer am Wochenendseminar des Projekts „Hinter dem Horizont geht’s weiter …“

Süßen / Stuttgart (pm) „Hinter dem Horizont geht’s weiter…“ Für Menschen mit schweren Behinderungen sind die Eltern die wichtigsten Bezugspersonen im Leben. Sie kennen oft als Einzige die Lebensgeschichte ihrer Kinder. Mit dem Verlust der Eltern geht häufig auch die Vergangenheit der Kinder verloren. Bei einem Wochenendseminar in der Begegnungsstätte des Kreisvereins Leben mit Behinderung Göppingen in Süßen lernten Menschen mit schweren Behinderungen Methoden kennen, wie sie ihre Lebensgeschichte für andere aufschreiben und weitergeben können.

Das Projekt „Hinter dem Horizont geht’s weiter …“ des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg ist Bestandteil des Programms „Förderung der Selbständigkeit älterer Menschen mit Behinderung“, das in einem Zeitraum von drei Jahren von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert wird. „Sie haben was zu sagen!“ meint Referentin Mara Sander. „Sie können Geschichten erzählen, die nicht alltäglich sind.“ Sander arbeitet als freie Journalistin und Buchautorin und macht den Teilnehmern mit Behinderung Mut, ihre Geschichte zu erzählen. „Sie bereichern damit das Leben der andern.“ Willi Rudolf aus Mössingen nickt und liest aus seiner Biografie „Geht nicht, gibt’s nicht“: Mein steter Kampf gegen Barrieren im Kopf. Sein Start ins Leben war schwierig. „An so einem schäbigen Kind kann man nichts mehr machen“, war der Kommentar eines Arztes, der den Bub untersuchte. Heute blickt der 68-jährige auf ein erfülltes Leben als Familienvater, Unternehmer, Kommunalpolitiker und in der Selbsthilfe behinderter Menschen ehrenamtlich Engagierter zurück. „Der Aufwand hat sich gelohnt.“

Überall werde heute von Inklusion, dem Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung, gesprochen. Wenn Menschen mit Behinderung ihre Lebensgeschichten erzählen, tragen sie mit dazu bei, „verkrustete Denkschablonen“ aufzubrechen. Rudolf macht Mut. Annette, Monika und Ulrich leben in Stuttgart und kennen sich über ihr Engagement im Alex-Club, dem Jugendclub des Körperbehinderten-Vereins Stuttgart. Sie sind körperbehindert und brauchen im Alltag Assistenz, teilweise rund um die Uhr. Sie sind begeistert bei der Sache und die Ideen sprudeln nur so: „Mein Leben hat im Krankenhaus begonnen. Ich war ein Frühchen.“ „Ich habe als Kind keine Schule besucht, sondern wurde in einem Altenheim betreut.“ „Mein langer Weg zu einer eigenen barrierefreien Wohnung.“ „Ohne Sprache leben …“ Die Begegnungsstätte verwandelte sich zwei Tage lang in eine Schreibwerkstatt. Der Stapel leerer Blätter wird kleiner, der Stapel voll geschriebener Seiten wächst. Sie sind hoch motiviert und wollen bis zum Jahresende ihre Lebensgeschichten aufschreiben. Sie sind sich einig: „Wir haben jede Menge zu sagen!“


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