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Menschen mit Behinderungen erobern Berlin | |
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auf der Dachterrasse des Deutschen Bundestages
„Berlin / Stuttgart „Berlin ist eine Reise wert“, das wissen alle. Auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Judith Skudelny (FDP) aus Leinfelden-Echterdingen eine 44-köpfige Gruppe von Menschen mit Behinderung und deren Begleitpersonen nach Berlin, um bei einer 4-tägigen Bildungsreise die Arbeit des Deutschen Bundestages und anderer politischer Institutionen in Berlin näher kennenzulernen. Mit im Gepäck reisten aber auch viele Fragen und Unsicherheiten mit: „Gibt es im Hotel wirklich ein rollstuhlgerechtes Zimmer? Werden wir von Gebärdendolmetscher begleitet? Gibt es Audioguides für blinde und sehbehinderte Gäste? Haben wir ausreichend Zeit, um von A nach B zu kommen? Sind die Restaurants stufenlos erreichbar und verfügen sie über ein Rolli-WC? Haben die anderen Mitreisenden Verständnis für mein Handicap und nehmen Rücksicht darauf? Erhalte ich Hilfe, wenn ich sie brauche?“ Im Anschluss kamen inhaltliche Fragen wie z.B. „ Wie sieht eigentlich die Arbeit einer Bundestagsabgeordneten aus?“ Plenarsaal im Deutschen Bundestag
Sonntag, 11.11.2012, 7.30 Uhr in Leinfelden-Echterdingen: Die Reisegruppe trifft sich zur gemeinsamen Fahrt nach Berlin. Ein erstes Aufatmen: da steht tatsächlich ein Reisebus mit Hebebühne, mit der die Gäste im Rollstuhl in den Bus schweben. Alles funktioniert problemlos. Menschen mit Körperbehinderung treffen auf gehörlose Menschen, Menschen mit geistiger Behinderung und Menschen mit Sehbehinderung. Eine Gebärdendolmetscherin fährt mit, um bei der Kommunikation im Alltag zu unterstützen. Reiseleiterin Heide Skudelny begrüßt die Gäste. Jutta Pagel-Steidl vom Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg unterstützt sie. Bei nasskaltem Wetter kann das Abenteuer Berlin beginnen... fröhliches Wiedersehen mit MdB Judith Skudelny
Sonntag, 11.11.2012, 18.30 Uhr in Berlin: Die Stadtgrenze ist erreicht. Die erste Aufregung hat sich gelegt. Doch je näher der Bus das gebuchte Hotel erreicht, steigt die Anspannung erneut: Ist das Hotel wirklich barrierefrei? Was ist, wenn nicht? Der Check-In im Hotel läuft problemlos. Die Zimmer sind barrierefrei. Und die fehlenden Duschstühle werden vom Hotel noch besorgt. Wie lässt sich die Zimmertür mit der Zimmerkarte öffnen? Im Hotelrestaurant wartet das Essen. Es gibt leckere Rindsrouladen mit Kartoffelpüree und Gemüse. Alles ist gut. Montag, 12.11.2012, 8.30 Uhr in Berlin: Ausgeschlafen und erwartungsvoll beginnt vor dem Hotel das „Boarding“. Routiniert schweben die Teilnehmer im Rollstuhl nach oben in den Bus. Hektik und Stress kommt nicht auf. Die Zeit, die für das Ein- und Aussteigen notwendig ist, steht zur Verfügung. Reiseleitung und Gebärdendolmetscher stehen für den ersten Programmpunkt bereit: Stadtrundfahrt durch die Bundeshauptstadt Berlin an politischen Gesichtspunkten orientiert. Über Berlin lacht die Herbstsonne. Willi Rudolf trifft auf Kunstwerke der Lebenshilfe Tübingen
Montag, 12.11.2012, 11.00 Uhr in Berlin. Auf dem Programm stehen Informationsgespräche im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Rainer Benz-Geiersberger vom Referat Öffentlichkeitsarbeit des BMAS stellt die Arbeit des Ministeriums vor, beantwortet Fragen und verweist auf das Bürgertelefon. Nach dem Motto „Sie fragen – wir antworten“ können sich Bürger mit ihren Fragen unkompliziert an das Ministerium wenden. Und es wird auch an gehörlose Menschen gedacht. Es gibt auch ein Gebärdentelefon. Dienstag, 13.11.2012 in Berlin: Sehr früh beginnt das „Boarding“. Bereits um 8.15 Uhr wird die Reisegruppe beim Sicherheits-Check am Reichstag erwartet. Das Gebäude ist aus Sicherheitsgründen weitläufig abgesperrt und so ist es nicht ganz einfach, einen geeigneten Stellplatz zum sicheren Ausstieg aus dem Bus zu finden. Doch auch diese organisatorische Hürde wird zur Zufriedenheit aller überwunden. Bundestag, wir kommen! Gemeinsam wird der Plenarsaal besichtigt. Es ist sitzungsfreie Zeit und so bleibt genügend Zeit für das obligatorische Foto „der Bundesadler und ich“. Die Aufgaben und die Arbeit des Parlaments werden erklärt und natürlich in Gebärdensprache übersetzt. Im Bundestag gibt es zudem Induktionsschleifen, was die schwerhörigen Gäste auch gerne nutzen. Die meisten Teilnehmer mit Behinderung waren noch nie in Berlin und noch nie im Bundestag. Für sie ist es ein Höhepunkt der Reise. Sozialstaat heißt für mich... - Vortrag im Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Jetzt geht es Schlag auf Schlag. MdB Judith Skudelny begrüßt ihre Gäste: „Eine so zusammengesetzte Gruppe ist unüblich. Es ist eine Premiere, aber eine sehr gelungene. Ich freue mich, dass Sie alle da sind.“ Anschließend berichtet sie über ihre Arbeit. Es geht um Energie- und Umweltpolitik sowie um Familienpolitik. Sie geht dabei auch auf die Einführung des heftig umstrittenen Betreuungsgelds und die Abschaffung der sog. Praxisgebühr ein. Die Politik für Menschen mit Behinderung zählt nicht zu ihrem Fachgebiet. Sie bietet daher an, spezielle Fragen dazu an die zuständige Fraktionskollegin weiterzugeben. Beim Informationsgespräch gibt es dann noch ein fröhliches Wiedersehen. Sabine Müller aus Leinfelden-Echterdingen kennt die Bundestagsabgeordnete seit vielen Jahren von ihrem gemeinsamen Hobby, dem Reiten. Es geht weiter zum Gruppenfoto – mit dem Bundesadler im Hintergrund. Jetzt geht es auf die Kuppel des Reichtags. Der Architekt hat die gläserne Kuppel geschaffen, damit das Volk seine Vertreter im Parlament im Blick hat und umgekehrt. Seit Sommer 2012 gibt es Audio-Guides für sehbehinderte Besucher sowie Video-Guides für gehörlose Besucher. So können auch Menschen mit Sinnesbehinderung die Sehenswürdigkeiten wahrnehmen. Das Urteil der Reisegruppe fiel positiv aus. Auch die Rollifahrer schaffen problemlos die Rampe nach oben. Noch einmal ein Gruppenfoto und schon geht es wieder nach unten. Das Mittagessen in einem Restaurant in Nähe des Brandenburger Tores wartet bereits. Anschließend geht es einmal zu Fuß durch das Brandenburger Tor – für viele ein unbeschreibliches Gefühl. Der Weg führt durch die Passage bei der Akademie der Künste zum Holocaust-Mahnmal. Dort wartet der Bus und fährt zum Dokumentationszentrum „Topografie des Terrors“. Eine gute Stunde lang geht es mit einer Führung durch die Ausstellung – beeindruckend und beklemmend zugleich. Welch ein Kontrast zum Potsdamer Platz, auf dem bereits ein Weihnachtsmarkt aufgebaut ist. Auf einer künstlichen Skipiste rutschen fröhlich lachende Menschen nach unten. Nach dem Abendessen folgt noch eine kurze Stadtrundfahrt durch das nächtliche Berlin zurück zum Hotel. Ein anstrengender Tag geht zu Ende. Mittwoch, 14.11.2012, 8.30 Uhr. Auschecken im Hotel, Boarding im Bus, Verladen von Gepäck und Rollstühlen. Die Rückfahrt steht an. Wie lautet das Fazit der Teilnehmer? „So toll hätte ich mir das nicht vorgestellt.“ Eine total neue Erfahrung. Ich war noch nie mit so vielen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen unterwegs. Ich habe sehr viel dabei gelernt. Es hat sehr viel Spaß gemacht.“ „Das Schönste war, jeder ist für jeden eingesprungen. Dabei sind wir total fremd gewesen, kannten uns vorher nicht..“ „Menschen mit Behinderung haben viel Zeit, sich mit Politik zu beschäftigen. Doch viele sehen nur den Rollstuhl und denken, „die kriegen ja eh nix mit und es lohnt sich nicht, denen was zu erklären“. Aber das stimmt eben nicht. Wir sind interessiert. Und wir haben bei Wahlen genauso eine Stimme wie alle nicht behinderten Menschen auch.“ „Durch den Stress der letzten Jahre war ich politikmüde. Jetzt habe ich einen neuen Impuls erhalten, mich wieder stärker mit Politik zu befassen. Mir ist klar geworden, dass sich der Alltag von Menschen mit Behinderung nur ändert, wenn wir Politik mitgestalten. Es hat aber auch viel Spaß gemacht.“ „So viel wie in den letzten Tagen habe ich schon lange nicht mehr gelacht.“ „Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich den Bundesadler so aus der Nähe sehen konnte. Ich bin stolz, dass ich als Frau mit Behinderung eingeladen wurde. Das ist für mich was ganz Besonderes.“ „Was das Beste war? Also das Beste war, dass niemand krank wurde und alle mit konnten. Alle haben zusammengeholfen und gewartet. Es war lustig.“ „Dass der Bundestag so groß ist, wusste ich nicht. Es war interessant, hinter die Kulissen zu blicken.“ „Ich hätte mich wahrscheinlich nicht getraut, an einer Fahrt mit nicht behinderten Menschen teilzunehmen. Ich hätte immer gedacht, dass die jetzt auf mich warten müssen, weil ich mehr Zeit brauche. Das war jetzt ganz anders. Das war toll. Ich habe mich wohl gefühlt. Jeder hat den anderen so akzeptiert, wie er ist. Das gibt es leider noch viel zu selten.“ „Wir waren eine tolle Gemeinschaft. Es war einfach nur gut.“ Mehr Fotos gibt es auf unserer facebook-Seite [externer Link]. | |
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