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„Wenn sich der Schnee in Blumen verwandelt …“

   01. Februar 2012
 

Süßen / Stuttgart (pm). „Hinter dem Horizont geht’s weiter…“ Wie geht es für Menschen mit schweren Behinderungen weiter, wenn deren wichtigste Bezugspersonen, die Eltern, sich einmal nicht mehr kümmern können? Was bedeutet das Älterwerden? Menschen mit schweren Behinderungen beschäftigen diese und auch Fragen rund um das eigene Altern und den eigenen Tod sehr. Und vor allem: wie spreche ich in der Familie über die Themen, die häufig Tabu sind? Bei einem Wochenendseminar in der Begegnungsstätte des Kreisvereins Leben mit Behinderung Göppingen in Süßen lernten Menschen mit schweren Behinderungen Methoden kennen, wie sie das Gespräch innerhalb der Familie führen können.

Das Projekt „Hinter dem Horizont geht’s weiter …“ ist Bestandteil des Programms „Förderung der Selbständigkeit älterer Menschen mit Behinderung“, das in einem Zeitraum von drei Jahren von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert wird. Carmen, Monika, Michael, Patrick, Pierre und Uli leben in Stuttgart und kennen sich schon lange über den Alex-Club, dem Jugendclub des Körperbehinderten-Vereins Stuttgart. Sie sind körperbehindert und brauchen im Alltag Assistenz, teilweise rund um die Uhr. Und wo die Lautsprache fehlt, wird mit Hilfe von Bildtafeln und Gesten gesprochen. Je älter sie werden, desto mehr denken sie darüber nach, wie es ist, wenn die eigenen Eltern eines Tages nicht mehr leben. Auch der Gedanke an den eigenen Tod macht Angst. Dabei haben sie ganz konkrete Vorstellungen wie sie im Alter leben und sterben wollen: nicht einsam sein, in Würde alt werden, den letzten Willen formulieren und beim Sterben nicht alleine sein. „Wie sag‘ ich’s ihnen, was mich bewegt, ohne die Gefühle meiner Eltern zu verletzen?“ Referentin Ute Hellebronth ermunterte die Seminarteilnehmer, bewusst Gefühle zuzulassen – und sie auch offen anzusprechen, auch Unangenehmes. Für Hellebronth ganz wichtig: „Es darf gelacht werden, auch wenn wir so ernste Themen wie Abschied nehmen, Tod und Trauer besprechen.“ Monika zitiert ihre Oma Anna, die immer sagte „Wenn die Kröte mal ausgespuckt ist und auf dem Tisch liegt, dann kann man sie von allen Seiten betrachten und merkt, dass sie nicht nur hässliche Seiten, sondern auch wunderschöne Augen hat.“ Die anderen nicken. Und so wird „Oma Annas Kröte“ am Wochenende zum Symbol für die Kommunikation in der Familie. Märchen werden vorgelesen, in Rollenspielen wird kräftig geübt. „Der wichtigste Mensch in meinem Leben, das bin ich.“ Es dreht sich ganz viel um die Akzeptanz und die Erkenntnis, für andere wichtig zu sein. Uli strahlt Lebensfreude aus, Michael ruht in sich selbst, alle engagieren sich ehrenamtlich in der Selbsthilfe. Dieses Engagement kostet Kraft und gibt Kraft. Es gibt zudem das Gefühl, auch für andere wichtig zu sein. Und so werden in Süßen Lebensbäume gezeichnet, Gefühle formuliert und ausgesprochen, Regeln für die Gesprächsführung gelernt. Die Stimmung ist ausgezeichnet. „Ich sehe jetzt klarer und werde sofort, wenn ich zuhause bin, das Gespräch mit meinen Eltern suchen.“ „Ich lebe mein Leben – und nicht das der anderen Leute.“ Glücklich, aber müde ging es voller Zuversicht zurück nach Stuttgart. Und die Angst vor der Zukunft wurde kleiner, denn: „hinter dem Horizont geht’s weiter.“


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