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„Ein sorgenfreies Leben gibt es nicht!“

   01. Oktober 2009
 

Stuttgart. „Keine Sorge, Du schaffst das schon! Don’t worry, be happy.“ Jeder von uns kennt diese aufmunternden Sätze. Doch helfen sie uns wirklich bei der Bewältigung unserer Sorgen und Nöte? Der richtige Umgang mit Ängsten und Sorgen stand im Mittelpunkt einer gemeinsamen Tagung des Landesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderte Baden-Württemberg und der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Tagungshaus Hohenheim.

Der Alltag mit behinderten Kindern birgt Überraschungen – freudige wie leidvolle. Zeitweise bestimmt die Sorge um das behinderte Kind über Wochen oder gar Jahre den Tagesablauf. Auch Zukunftsängste werden wach: Wird das behinderte Kind ein selbstbestimmtes glückliches Leben führen? Wie schaffen Eltern den täglichen Spagat zwischen den Anforderungen in Beruf, Familie, Pflege, Betreuung und Freizeit? Professor Dr. Jürgen Hoyer von der TU Dresden kennt auch die positiven Funktionen der Sorgen, die in Begriffen wie Fürsorge, Vorsorge oder Sorgfalt stecken. „Sorgen helfen, die Aufmerksamkeit auf Gefahren zu richten, sie ermöglichen die Vorwegnahme von Risiken und sie bereiten damit gegebenenfalls frühzeitige Problemlösungen vor.“ Andererseits kennen Psychotherapeuten ein Störungsbild, die Generalisierte Angststörung, bei dem die Sorgen überhand nehmen und dien Alltag bestimmen. Die betroffenen Menschen sind so belastet, dass sie „nicht mehr abschalten“ können, nicht selten sogar depressiv werden oder sich andere Folgeprobleme entwickeln. Für ein freundliches „Keine Sorge, Du schaffst das schon!“ ist dann meist zu spät. Doch wie lässt sich nun das gesunde vom überzogenen Maß der Sorge unterscheiden? Was lässt sich tun, wenn die Sorgen die Kontrolle übernehmen? „Trennen Sie die wichtigen von den weniger wichtigen Sorgen. Was ist in zehn oder hundert Tagen noch eine große Sorge? Verharren Sie nicht in der Sorge, sondern suchen Sie Lösungen,“ rät Professor Hoyer. „Sorgen teilen, darüber reden, soziale Netzwerke knüpfen“, ergänzt Verena Bez, die bei der Körperbehindertenförderung Neckar-Alb arbeitet. Für viele Familien mit schwer behinderten Kindern ist es wichtig, sich in Selbsthilfegruppen zusammenzuschließen, sich im Kreis von Betroffenen auszutauschen, sich zuzuhören und Mut zu machen.

Im Alltag übersieht man leicht die vielen kleinen Glücksmomente. „Mein Elektrorollstuhl ermöglicht mir eine hohe Unabhängigkeit und Selbständigkeit im Alltag. Ich kann ins Fußballstadion fahren, zum Einkaufen, zum Arzt, zur Tagesförderstätte oder in meiner Wohnung in meine Küche, um mir selbst ein Glas Sprudel einzuschenken“, beschreibt Pierre Mayer seine alltäglichen Glücksmomente. Der 38jährige Rollstuhlfahrer wird ambulant in der eigenen Wohnung betreut und besucht die Tagesförderstätte des Körperbehindertenvereins Stuttgart. Eine der größten Sorgen, die Eltern mit schwer behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen allerdings umtreibt, ist: „was ist, wenn unsere Kräfte schwinden und wir einmal nicht mehr da sind? Wie können unsere schwer behinderten Kinder dann ein Leben mit möglichst wenig Sorgen führen?“


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